Belgien – das Vaterland des modernen Bieres.

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von Hopfen sei Dank
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9. Mai 2020
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Die sagenhafte, belgische Braukultur – Wer sich mit dem Thema Bier auseinandersetzt, wird früher oder später auf die Faszination für belgisches Bier stoßen. Alle Experten sind sich einig: Die circa 1600 belgischen Biere strahlen eine Vielfalt und Freude an der Braukunst aus, die überall auf der Welt ihresgleichen sucht. Wer einmal das Glück besitzt, Belgien besuchen zu können und sich dort aktiv für die belgischen Biere interessiert, der wird garantiert eine fantastische, kulturelle Erlebnisreise erfahren. Und dieses Abenteuer ist mit vielen Geschmackserlebnissen verbunden!

Zu Recht ist Belgien seit November 2016 das unbestreitbare Paradies für Bier-Enthusiasten. Die belgischen Gerstensäfte sind seither UNESCO-Weltkulturerbe (immaterielles Kulturerbe) und haben damit einen weltweit einzigartigen Status.

Wie sich die belgische Brautradition zum Weltkulturerbe entwickelt hat und wieso jeder Hobbybrauer und Bierliebhaber sich einmal der Thematik widmen sollte, das erfahrt Ihr hier: 

Bier als Kulturgut – Die historische Entwicklung des belgischen, bierbetonten Lebensstils. 

Belgien war in seiner historischen Entwicklung schon immer ein Fleckchen Erde, auf der Diversität eine große Rolle gespielt hat. Die Nation als solche besteht erst seit 1830 und ist damit relativ jung. Zuvor stand das heutige Belgien unter stetiger Beeinflussung seiner Nachbarn: Frankreich, Niederlande und Deutschland sowie Großbritannien und Spanien. Als früheres Staatsgebiet der (Spanischen) Niederlande, war es von 1556 bis 1713 sogar teilweise unter spanischer Herrschaft. 

Das Leben in diesem Gebiet war lange Zeit von politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen geprägt und die Auswirkungen sieht man noch heute in der belgischen Gesellschaft. Der Norden des 30.688 km² großen Landes ist flämisch geprägt, während der Süden des Landes französisches Sprachgebiet ist. Diese historische Entwicklung förderte die Vielfalt der Biere, da sich jede Region selbst mit Bier versorgte. Die kulturelle Diversität innerhalb der Nation führte dazu, dass die regionalen Identitäten an Bedeutung gewannen. 

Die Wurzeln des Nationalgetränks

Im Mittelalter wurde die Produktion von Bier durch die einflussreichen, regionalen Bierzünfte kontrolliert, welche vom 11ten bis 16ten Jahrhundert brillierten. Bier wurde ursprünglich einfach aus dem hergestellt, was regional zur Verfügung stand. Es war ein lokales Erzeugnis. Dies bedeutete auch, dass es gewissen regionalen Abweichungen ausgesetzt war. In Flandern wurden Weizen, aber auch Hafer, gemälzte und ungemälzte Gerste und Kräuter verwendet.

Die Gruitbiere (Kräuterbiere) waren im Mittelalter sogar das bekannteste und meist getrunkene Brauerzeugnis. Die Braukunst mit Hopfen, die um 1000 n. Chr. im heutigen Tschechien entsprang, nahm ihren Weg über Deutschland bis in die Niederlande (um 1300). Von dort aus erreichte das niederländisches Hopfenbier Belgien. Die neuartige Zutat revolutionierte die Braukunst überall dort, wo es eintraf. Somit auch belgisches Bier. Spätestens am Ende des 14. Jahrhunderts musste das Gruitbier dem Hopfenbier weichen. 

Dass es das Bier war, welches zum belgischen Nationalgetränk werden sollte, liegt vermutlich an zwei wichtigen Faktoren: Zum einen waren Bier-ähnliche Getränke schon sehr früh in der menschlichen Geschichte verankert. So war zum Beispiel das Gruitbier ab dem 11. Jahrhundert eines der bekanntesten und meistgetrunkenen Getränke. Zum anderen war die christliche Religion eine der konstantesten Einflüsse im belgischen Gebiet. Bier war im Mittelalter, aufgrund seiner Reinheit, das wichtigste Getränk und wurde deshalb in Klöstern und Abteien gebraut. Und katholische Gotteshäuser gab es, angesichts der protestantischen Verfolgungen in den Nachbarländern, in Belgien viele. Zusätzlich war Belgien schon immer ein gutes Anbaugebiet für Weizen und Gerste und besaß exzellente Wasserquellen.  

“Gottes Geschenk an den Menschen”

Die christlichen Heiligen und Schutzpatrone der Brauerei Arnulf von Soisson (Erfinder des Filtrationsvorgangs) und Arnulf von Metz (wirkte Bierwunder) lebten und wirkten im damaligen Frankreich, in der Nähe des heutigen Belgien. Der folgenden Erzählung nach erhielt das alkoholische Getränk den Ruf, ein Geschenk Gottes an den Menschen zu sein: 

Bishop Arnulf von Metz und das Bierwunder.

Bischof Arnulf von Metz und seine lokale Gemeinschaft wurden von Krankheiten heimgesucht, die eine ernsthafte Bedrohung darstellten. Um seine Gemeinde vor den Auswirkungen der Seuche zu schützen, überzeugte er die Menschen fortan Bier zu trinken. Die Menschen sollten das verseuchte Wasser meiden. Um dies auch in Gottes Namen zu unterstützen, segnete der spätere Schutzpatron der Brauer einen Braukessel. Durch den Brauprozess war das Bier tatsächlich reiner als das lokale Wasser, weshalb die Empfehlung des Geistlichen Wirkung zeigte. Bei der Verteilung des Bieres soll der Ausspruch “Durch des Menschen Arbeit und die Liebe Gottes erblickt Bier das Angesicht der Welt” genutzt worden sein. Das Bier aus dem gesegneten Kessel verlangsamte die Verbreitung der Krankheit signifikant. Aus diesem Grund wurde Arnulf von Metz noch zu Lebzeiten für dieses Wunder heiliggesprochen. Die Sichtweise auf den Gerstensaft wurde in der Region demzufolge bleibend geprägt.

Es kann also gesagt werden, dass das Bier in Belgien schon immer Nationalgetränk war. Daran konnte auch der Einfluss von Frankreichs Weinkultur nichts ändern.  

Auf diesem Nährboden florierten die Brauereien freimütig und selbstbewusst. Eine weitere Besonderheit, die die belgische Bierkultur formte, war die verhältnismäßig geringe Regulierung der Braukunst. Dieser fehlende Einschnitt durch “Reinheitsgebote” führte zu einem dynamischeren Übergang von alten Braukünsten zu neuen Erkenntnissen, ohne die Erfahrungen der Vorzeit zu verteufeln. Belgische Brauer experimentierten mit Gewürzen, Früchten und unterschiedlichen Methoden. Belgisches Bier war schon immer ein Gegenstand von Innovation, Neugier und Erfahrungen. Dementsprechend verwirklichten die Brauer ihre Kreativität und Freude an der Braukunst. Aufgrund der Größe Belgiens war dies auch wichtig. Wer sich in der relativ kleinen Nation unter der Vielzahl an Brauereien durchsetzen wollte, musste sich von seiner Konkurrenz abheben.  

Belgisches Bier – Lebendige Kultur 

Heutzutage ist der traditionelle Ursprung belgischer Biere ein Thema der Vergangenheit. Die meisten der gängigen Klosterbiere werden unter Lizenzierung von kommerziellen Unternehmen gebraut, weswegen die Produktion von Bier innerhalb von Klöstern und Abteien im modernen kommerziellen Bierkosmos eher die Ausnahme ist. Dabei werden jedoch die traditionellen Rezepturen der belgischen Biere genutzt. Die letzten Biere, die diese meisterhafte Tradition bewahren, sind die Trappistenbiere, deren Verkauf Missionarsarbeit und gemeinnützige Projekte unterstützen.  

Die gesellschaftlichen Auswirkungen der kulturellen Entwicklung sind jedoch überall in Belgien spürbar. In Belgien herrscht quasi ein dauerhaftes Grundinteresse an Bier. Jede belgische Bar, die etwas auf sich hält, versucht eine Vielzahl an regionalen, nationalen, internationalen Marken und Sorten anzubieten. Und die Auswahl ist allein im nationalen Bereich riesig. Nach heutigem Stand gibt es 1600 Biere, davon 500 Spezialbiere. Selbst das Kochen mit Bier ist in Belgien Teil der kulturellen Identität. Diese tiefe Verankerung veranlasste schließlich auch die Aufnahme der belgischen Biere als immaterielles Kulturerbe.

Eine berühmte Verkörperung dessen ist das Biercafé “t Brugs Beertje” (deutsch: Brügges kleiner Bär). Das Biercafé ist mit 300 verschiedenen Bieren, zu dem je ein individuelles Bierglas gehört, ein wahrer Genuss-Palast.  

UNESCO – Immaterielles Kulturerbe

Zum immateriellen Kulturerbe gehören Wissen und Können rund um kulturelle Ausdrucksformen wie Tanz, Theater, Musik, Bräuche und Feste, traditionelle Handwerkstechniken – im Umgang mit den lokalen, natürlichen Gegebenheiten. Es drückt Kreativität und Erfindergeist aus, vermittelt Identität und Kontinuität und wird von einer Generation an die nächste Generation weitergegeben. 
Immaterielles Kulturerbe ist durch Improvisation, Weiterentwicklung und Veränderung gekennzeichnet. Es bezeichnet sowohl das gewachsene Erfahrungswissen von Gemeinschaften, als auch die dafür notwendigen materiellen Instrumente, Ressourcen und Kulturräume.

(Quelle: UNESCO

“Das Brauen und Schätzen von Bier ist Teil des gelebten Erbes vieler Gemeinschaften in ganz Belgien.”

(Quelle: UNESCO)

Dabei blieb diese sagenhafte Braukunst lange Zeit so gut wie unentdeckt. Belgien produzierte sehr lange Zeit fast ausschließlich für den eigenen Markt. Dies führte dazu, dass belgisches Bier in anderen Ländern unterrepräsentiert war und sich stereotypische Beschreibungen entwickelten. Die Vielfalt belgischer Biere erreichte erst später die internationale Bühne, zuvor waren belgische Biere vor allem für ihre Stärke bekannt.  

Dieser Ruf war auch durchaus berechtigt. Schließlich entwickelte sich ab 1919 eine starke Nachfrage nach hochprozentigen Bieren. Das Vandervelde-Gesetz (1919 – 1983) untersagte es, alkoholische Getränke über 18% öffentlich auszuschenken. Das Gesetz war dazu gedacht den Alkoholismus in der arbeitenden Gesellschaft zu bekämpfen, welcher sich in der Zeit der Industrialisierung zu einer Volkskrankheit entwickelt hatte. Dies nahm ein Ausmaß an, dass sogar die Firmen eigene Kneipen eröffneten und so sinnbildlich gesprochen den ausgeteilten Lohn wieder einsammelten.   

Ohne die hochprozentige Konkurrenz erkämpfte sich das traditionsreiche, vielfältige belgische Bier mit Leichtigkeit eine Monopolstellung im Bereich der Alkoholversorgung. Die Biere füllten die Lücke so gut wie es ging und stiegen deshalb auf bis zu 13 Volumenprozent an. In dieser Entwicklung ist Belgiens Starkbier-Kultur begründet.  

Das moderne Belgien

Ab 1950 entwickelte sich Brüssel zur inoffiziellen Hauptstadt von Europa. Große Firmen siedelten sich an und brachten Mitarbeiter aus ganz Europa nach Belgien. Diese erlebten dort die Belgische Bierkultur und brachten belgische Biere und Erzählungen in ihrer Heimatländer. Belgien eroberte im Sturm den Kosmos der Bierexperten und –liebhaber. Auch weit über Europa hinaus genießt die moderne und kreative Art belgischer Braukunst einen exzellenten Ruf. Besonders die Trappistenbiere gehören für viele zu den besten Bieren der Welt.

Das Land ist zudem das Einzige der Welt indem bis heute alle vier Fermentationsverfahren genutzt werden. Auch deswegen besitzt belgisches Bier eine so große Vielfalt. Die Fermentationsprozesse sind:

  • Niedrige Fermentation für Lager und Pils 
  • Hohe Fermentation mit traditioneller Hefe für Spezialbiere  
  • Wilde Fermentation 
  • Gemischte Fermentation für komplexe Biere

Die Belgien-Bierbox

Alle Sorten und Varianten des belgischen Bieres zu probieren ist selbst für Bier-Enthusiasten eine Herausforderung. Einen guten Anfang in die Thematik bietet unsere Hopfen-Sei-Dank – Belgische Bierbox. (Zum Shop)

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Wohl bekommt’s!

Besonderes belgisches Bier – Ein kleiner Überblick

  • Dubbel / Double
  • Tripel / Triple
  • Quadrupel
  • Witbier / Blanche
  • Amber
  • Saisonbier
  • Belgisches Rotbier
  • Biére de Champagne
  • Oud Bruin
  • Faro
  • Lambic / Lambiek
  • Fruchtlambic / Kriek
  • Geuze / Gueuze
  • Abteibiere
  • Trappistenbiere

Weiterführende Literatur:

“Belgian Ale” von Pierre Rajotte

Belgisches Gesetz begründet die Starkbierkultur – domradio.de

Belgisches Bier ist Weltkulturerbe – dw.com

Brügges kleiner Bär – brugsbeertje.be

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